Dienstag, 2. April 2013

„Nationalsozialismus“ - ein Wort aus dem Geschichtsbuch?

Von Christine Chiriac, Rumänien

Kaum ein anderes Thema ist derzeit in den deutschen Medien so präsent wie der bevorstehende Prozess um die NSU-Morde in München. Das Gerichtsverfahren gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte ist verbunden mit sehr hohen Erwartungen. Man erhofft sich Gerechtigkeit. Offene Fragen sollen  beantwortet werden: Wieso waren dermaßen gravierende Ermittlungspannen möglich? Wie konnten Fehler und falsche Perspektiven so lange Zeit weiterbestehen? Werden Neonazis verharmlost? Wie weit geht der „Alltagsrassismus“?
Mit diesen Fragen haben wir uns im Rahmen der Internationalen Begegnung in Ravensbrück befasst. Wir haben mit dem Südwestrundfunk-Korrespondenten Claus Heinrich über den NSU-Untersuchungsausschuss und „das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden“ - so der Titel der Veranstaltung – gesprochen, und haben somit „unsere“ Diskussion über den Nationalsozialismus, seine Ursachen und seine Folgen in die Gegenwart transportiert.
Es ist uns deutlich geworden, dass es nicht nur eine „NS-Vergangenheit“ gibt, mit der wir Nachwuchsjournalisten uns in unserer Arbeit befassen wollen/müssten, sondern, leider, auch eine „NS-Gegenwart“. Wie kann das sein? Claus Heinrich hat es in einem Satz zusammengefasst, den man sich merken sollte: „Radikalisierung ist meistens schleichend“.
Gerade deshalb gilt es für die Presse, objektiv, wach, scharf, vorurteilsfrei zu berichten – andernfalls eskalieren Meinungspannen zu Ermittlungspannen, Ermittlungspannen zu Medienpannen und Medienpannen zu Gesellschaftspannen – und dann ist es meistens zu spät.
Noch etwas zum Stichwort „Objektivität“: Seit Januar 2012 befasst sich ein Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag  mit dem Versagen der Behörden im Fall „NSU“. Bemerkenswert ist dabei die überparteiliche Zusammenarbeit und die Erkenntnis, dass man gerade dieses Thema nicht zu einem Spiel der unterschiedlichen politischen Lager herunterstufen darf. Daraus könnten auch andere Regierungen lernen.  

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